Übergewicht beim Pferd – unerkanntes Gesundheitsrisiko

Ein Gastbeitrag von Claudia Horstkötter, futterplanschmiede

Immer mehr Pferde leiden unter Übergewicht – ein großer Teil davon quasi unerkannt. Circa 70 Prozent aller Pferde haben laut Expertenschätzung ‚zu viel auf den Rippen‘. Das Fatale daran: Die Besitzer:innen sind sich dessen überhaupt nicht bewusst. Das Auge hat sich bereits an diesen Anblick von übergewichtigen Pferden gewöhnt und sieht dies je nach Ausprägung bereits als normal an. 

Übergewicht kann dem Pferd jedoch langfristig großen Schaden zufügen: Es kann die Lebensdauer um bis zu 20 Prozent verkürzen und zudem den Bewegungsapparat so sehr belasten, dass Bewegung Schmerzen verursachen kann. Hufrehe, EMS und Insulinresistenz sowie weitere Krankheiten sind nur einige mögliche Folgeerkrankungen. 

Die Gründe für Übergewicht sind dabei oft auf ein Ungleichgewicht zwischen Futter, Futtermanagement und zu geringer Bewegung zurückzuführen. Die Pferde bekommen viel zu viel Futter im Verhältnis zur Arbeit, die vom Pferd verlangt wird.

Woran erkennst du Übergewicht beim Pferd?

Eine Möglichkeit, den Gewichtszustand des Pferdes zu beurteilen, ist der Body-Condition-Score. Es handelt sich dabei um eine Skala zur Beurteilung der Körperkondition, bei der du anhand von vorgegebenen Merkmalen selbst in der Lage ist, das eigene Pferd einzuschätzen und so herauszufinden, ob Unter-, Über-, oder Normalgewicht vorliegt.

Die Skala enthält in der Regel 9 verschiedene Scores:

  • Scores 1-3 zeigen dabei Untergewicht an
  • Scores 4 und 5 stehen für das Normal-/Idealgewicht
  • Scores 6-9 zeigen Übergewicht an 

Die folgenden Merkmale sind ein Indiz für Übergewicht beim Pferd:

  • die Halsfläche wölbt sich leicht nach außen
  • die Rippen nicht sichtbar sind
  • nur die hinteren sind Rippen fühlbar
  • die Haut des Pferdes lässt sich leicht verschieben
  • du kannst an der Schulter eine Hautfalte bilden
  • die Linie zwischen Schweifansatz und Sitzbeinhöcker ist leicht nach außen gewölbt
  • am Schweifansatz besteht weiches Fett
  • das Kammfett (Fett am Hals, das sich oberhalb des Nackenbandes unter der Mähne befindet) beträgt mehr als 5,5 cm.

Eine genaue Beschreibung der Kriterien und der einzelnen Scores findest du im Merkblatt zum Body Condition Score.

Übergewichtiges Pferd – was nun?

Wenn das Pferd übergewichtig ist, ist es wichtig etwas dagegen zu unternehmen. Dazu empfiehlt es sich, die Futterration einmal zu checken, aber auch Training und Haltungsform einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. 

Das Pferd einfach auf Diät zu setzen und plötzlich nur noch Heu zu füttern oder das Pferd womöglich hungern zu lassen, ist keine Lösung, da rein über Heufütterung die Versorgung mit den Nährstoffen und Vitaminen nicht ausreichend gegeben ist. Pferde hungern zu lassen, ist außerdem ein absolutes NO-GO. Pferde sind nicht für das Hungern gemacht. Während Menschen auch mehrere Tage ohne Essen auskommen können, können Pferde das nicht. Wenn der Magen-Darmtrakt eines Pferdes nicht regelmäßig Rohfasern erhält, entstehen schnell Magengeschwüre oder Darmentzündungen, die auch lebensbedrohliche Folgen haben können. 

Stattdessen solltest du das Training deines Pferdes auf den jeweiligen Grad des Übergewichtes anpassen. Zu beachten ist, dass die Fettverbrennung am Besten im aeroben Stoffwechsel funktioniert. Aeroben Stoffwechsel haben Pferde bei fleißiger anhaltender Schritt- oder langsamer Trabarbeit bis hin zum langsamen Galopp. Hier gilt: Je schneller die Gangart, je geringer der Anteil des aeroben Stoffwechsels und je höher der Anteil des anaeroben Stoffwechsels. 

Je nach Haltungsform sollte das Pferd idealerweise mit Pferden zusammenstehen, die ähnliche Bedürfnisse haben. Sonst kann es schwierig werden, die verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen.

Ad libitum Fütterung ist für übergewichtige Pferde absolut nicht empfehlenswert: Die Haltung in einer Herde, in der 24/7 Zugang zu Heu oder Gras besteht, ist für ein solches Pferd – auch wenn es gut gemeint ist – keine gute Option. Gegen eine Haltung in einer Herde mit Pferden, die ähnliche Bedürfnisse haben und in der das Futter sinnvoll rationiert wird, spricht hingegen absolut nichts. 

Eine ausgewogene Ration für ein übergewichtiges Pferd zusammenzustellen, die alle Bedürfnisse abdeckt und dabei möglichst nicht den Energiebedarf übersteigt, stellt in vielen Fällen eine große Herausforderung für die Besitzer:innen dar.

Sinnvolle Maßnahmen können sein:

  • die Weidezeit zu begrenzen
  • das Heu abzuwiegen
  • ein zum Heu passendes Mineralfutter zu ergänzen
  • einen Teil der täglichen Heuration durch Stroh zu ersetzen (allerdings darf der Anteil an Stroh nicht größer als 30 Prozent der Raufutterration sein und es sollte sich um qualitativ hochwertiges Futterstroh handeln)
  • Knabberäste anzubieten, um Fresspausen zu minimieren

Eine passende Ration kannst du dir von einem Futter- oder Ernährungsberater erstellen lassen oder du lernst, selbst die Ration zu berechnen. Wichtig ist, dass bei jeder Rationsberechnung das jeweilige Raufutter (Heu / Gras) als Grundlage dient und die Ration auf dieses abgestimmt wird.  Ebenfalls empfiehlt es sich, einen Trainingsplan zu erstellen und die Möglichkeiten zur Bewegung in die Berechnung einfließen zu lassen. 

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